Fassadenbegrünung

Kleines 1 x 1 der Fassadenbegrünung

Definition: Fassadenbegrünung ist die vertikale Form äußerer Bauwerksbegrünung. Fachgerechte Fassadenbegrünungen basieren auf planmäßigem, regelmäßig kontrolliertem und gepflegtem Bewuchs geeigneter oder speziell dafür vorgerichteter Fassaden mit Pflanzen.

Historische Fassadenbegrünungen

Die Verwendung von Kletterpflanzen – speziell Nutz- und Heilpflanzen – ist seit Jahrtausenden dokumentiert. Die wohl bekannteste Darstellung historischen Weinbaues stammt aus dem ägyptischen Grab des Nacht, das auf etwa 1400 v.u.Z. datiert wird. In diesem Bild ist sowohl eine Weinlaube, als auch eine übergrünte Kelter dargestellt. Übrigens stammt das Wort Kelter vom lateinischen „calcare“ (= mit den Füßen treten) ab. Dieses traditionelle Auspressverfahren wird heute noch mancherorts als folklorisitische Veranstaltung praktiziert.

 Reblese und Weinerzeugung in Ägypten vor rund 3400 Jahren (Grab des Nacht; Bildausschnitt einer 1:1 Kopie, Norman de Garis Davies, Nina Davies; 1907) (Quelle u.a.: Matthias Seidel, Abdel Ghaffar Shedid: Das Grab des Nacht. Kunst und Geschichte eines Beamtengrabes der 18. Dynastie in Theben-West, von Zabern, Mainz 1991 ISBN 3805313322)

Reblese und Weinerzeugung in Ägypten vor rund 3400 Jahren (Grab des Nacht; Bildausschnitt einer 1:1 Kopie, Norman de Garis Davies, Nina Davies; 1907) (Quelle u.a.: Matthias Seidel, Abdel Ghaffar Shedid: Das Grab des Nacht. Kunst und Geschichte eines Beamtengrabes der 18. Dynastie in Theben-West, von Zabern, Mainz 1991 ISBN 3805313322)

M.E. darf man davon ausgehen, dass in allen Hochkulturen seinerzeit kletternde Nutzpflanzen kultiviert wurden. Z.B. ist aus China seit weit mehr als 1000 Jahen die Nutzung von Schisandra chinensis und Actinidia chinesis belegt. Nördlich der Alpen, wo nur eine eher kleine Anzahl ausdauernder und mehrjähriger kletternder Arten heimisch (Efeu, Hundsrose, Waldgeissblatt, Clematis vitalba, Brombeere) ist, könnte eventuell der Hopfen die erste kommerziell genutzte ausdauernde Kletterpflanze gewesen sein.

In Japan deuten Wisterien älter als 1000 Jahre auf eine Gartenkunst hin, die sich schon lange kletternder Gehölze mit ausschließlichem Zierwert bedient. Auch der sagenhafte „Tausendjährige Rosenstock“ am Mariendom in Hildesheim (Niedersachsen) ist seit 400 Jahren belegt, aber der Legende nach wurde bereits 815 dort eine Rose gepflanzt. Das ist keineswegs auszuschließen …
Verschattende Fassadenbegrünung durch horizontal geleitete Kletterpflanzen (meist Reben), wie man sie im Mittel­meerraum verbreitet antrifft, hat ebenfalls eine lange Tradition. Es liegt nahe, dass diese effektive Form sommerlicher Gebäudekühlung schon zu Zeiten des römischen Reiches oder soger der Etrusker praktiziert wurde. Dafür spricht die Architektur der Atriumhäuser und römischer Villen.
In Mitteleuropa gab es seit der frühen Neuzeit (auch „Zeitalter der Entdeckungen “ genannt) diverse Entwicklungen, die Fassadenbegrünung (zeitweise) populärer machten. Dazu zählen u.a. das wachsende Angebot attraktiver Kletterpflanzen durch Einfuhren aus anderen Kontinenten, Geistesströmungen (z.B. Romantik) mit Wirkung auf die Gartenkunst (Landschaftsarchitektur) und Architektur (z.B. Gartenstadtbewegung}, aber auch Autarkiebestrebungen in Krisenzeiten.

klassische Fassadenbegrünungen mit Kletterpflanzen

Beispiele klassischer Fassadenbegrünungen mit Kletterpflanzen

Ich möchte hier nicht näher auf die historische Entwicklung der Verwendung von Kletterpflanzen eingehen, denn m.E. ergeben sich daraus keine aktuell praxisrelevanten Informationen. Das Thema wird u.a. im Fachbuch „Fassaden- und Dachbegrünung“ (siehe Literatur) bis ca. 1990 umfassend behandelt.
Für den aktuellen Stand der Fassadenbegrünung in Deutschland sowie eventuell international bedeutsame Aspekte sind jedoch m.E. vor allem die letzten 30 Jahre interessant. Hier gab es eine in den 1970er Jahren beginnende Renaissance. Erstmals wurde Fassadenbegrünung nicht nur von Einzelnen als bedeutsam für die Stadtentwicklung erkannt und örtlich sogar öffentlich gefördert. Allerdings waren die Erfolge eher mäßig. Viele initiierte Maßnahmen scheiterten an mangelhafter Ausführung oder erfüllten nach einigen Jahren nicht mehr die („blauäugigen“) Erwartungen ihrer Initiatoren. Daraufhin erlahmte das Interesse in den 1990er Jahren deutlich. Ein lesenswerter Artikel von Mitarbeitern der Forschungsgruppe Fassadenbegrünung am Geographischem Institut der Universität Köln widmet sich der Entwicklung der Fassadenbegrünung beginnend mit der Nachkriegszeit. Er erschien im Dezemver 2000 und trägt den damals bezeichnenden Titel „Ich dachte, das Thema sei durch….“

Unabhängig vom Rückzug der deutschen Kommmunen als Förderer der hiesigen Fassadenbegrünung und einer Stagnation hinsichtlich der  Wertschätzung begrünter Wände haben engagierte Fachleute seit den 1970er Jahren permanent auf diesem Gebiet geforscht, entwickelt und veröffentlicht. Eine eher überschaubare Gruppe Wissenschaftler, Planer und Praktiker betrachteten Fassadenbegrünung immer als zunehmend wichtiges Instrument künftiger Stadtentwicklung und bemühten sich um Fortschritte hinsichtlich des Wissens um Funktionen und der Praxis ihrer Anwendung – aber auch um Imagepflege und Qualitätssicherung. Z.B. wurde 1990 die Fachvereinigung Bauwerksbegrünung (FBB e.V.) gegründet. Die Forschungsgesellschaft Landschaftsbau Landesentwicklung (FLL e.V.) veröffentlichte 1995 die erste „Richtlinie zur Planung, Ausführung und Plfege von Fassadenbegrünungen mit Kletterpflanzen“. (Siehe ebenfalls Literatur). Eine bald erscheinende, neu bearbeitete Auflage wird alle Formen der Fassadenbegrünung (also auch wandgebundene Systeme) berücksichtigen. 2011 hat ein Arbeitskreis der FBB e.V. Empfehlungen zur Ausschreibung ausgearbeitet, die  gute Planungshilfen für klassische und innovative Fassadenbegrünungen  darstellen. Weitere Informationen zum Stand der Technik der Fassadenbegrünung mit Kletterpflanzen finden Sie direkt hier  u.a.  im Untermenü Vorträge.

 Kletterhilfen auf Leichtziegel Mauerwerk mit WDVS

Moderne Fassadenbegrünung mit Kletterpflanzen an Kletterhilfen, hier Polygrün

Das neue Jahrtausend beginnt mit einem gewaltigen Entwicklungsschub auf dem Gebiet der Fassadenbegrünung. Während der Einsatz von Kletterpflanzen an Fassaden trotz uralter Tradition, neueren Systementwicklungen und Informationsinitiativen in Planung und Praxis immer noch nur mäßig beherrscht wird, etablieren sich zunehmend viele Systeme zur Herstellung bepflanzter Fassaden auf dem Markt.

Als Trendsetter gilt der fränzösische Botaniker und Gartenkünstler Patrick Blanc, der seit etwa 10 Jahren weltweit „vertikale Gärten“ bzw „Pflanzenwände“ (murs végétaux) in einem selbst entwickelten Verfahren plant und anlegt.

Fassadenbegrünung heute – oft in Form einer Wandbegrünung

Die o.a. in Deutschland erstellte „Richtlinie…“ (FLL e.V., Bonn, 2000) beschränkt sich – wie der Titel sagt – auf Empfehlungen zur Verwendung von Kletterpflanzen. Allerdings wird mitunter auch die wandnahe Pflanzung von Bäumen (oft Spalierobst) und anderen Gehölzen (auch Koniferen) als Form der Fassadenbegrünung angesehen. Dazu muss angemerkt werden, dass diese Pflanzen hinsichtlich Wuchs und Wurzelentwicklung nicht mit Kletterpflanzen vergleichbar sind. Z.B. gewährleistet Spalierobst längst keinen so wirksamen Schlagregenschutz wie eine professionelle Wandbegrünung mit Kletterpflanzen.
Der Einsatz von Sträuchern und Bäumen, die ohne mechanische Unterstützung in direkter Nähe von Gebäuden beachtenswert hoch wachsen könn(t)en bedarf daher besonders sorgfältiger Prüfung. Trotzdem tendiere ich inzwischen dazu, die Verwendung „spalierbarer“ Gehölze als eine Form der „klassischen“ Fassadenbegrünung“  anzusehen.

Neben den klassischen Formen der Fassadenbegrünung, bei der nur oberirdische Pflanzenteile die sichtbare Wandbegrünung darstellen, gewinnen „innovative“ Entwicklungen zunehmend an Bedeutung. Ihnen liegt ein wandbefestigtes Vegetationssystem zugrunde, das einer kompetent gesteuerten (meist elektronisch geregelten) Versorgung mit Feuchte und Nährstoffen und sachgemäßer Entsorgung von Überschüssen bedarf. (Siehe hierzu auch Vortrag zum 2. FBB-Symposium Fassadenbegrünung 2009). Auf modular oder flächig ausgeführten Vegetationsträgern können Moose, Gräser, Stauden und kleinwüchsige Gehölze scheinbar direkt aus dem Gebäude wachsen. Die Fassade wird damit tatsächlich zum vertikalen Garten – sie wird gestaltbarer aber auch als bewachsene Fläche anspruchsvoller.

Aktuelle Formen der Fassadenbegrünung: ein vertikaler Garten

Inzwischen wird (siehe oben) die traditionelle Methode der Fassadenbegrünung mit Kletterpflanzen durch neue Systeme ergänzt, die auf direktem Fassadenbewuchs vorrangig mit nicht kletternden Pflanzen basieren. Hierzu werden die Fassaden als Vegetationsflächen ausgeführt und flächig mit Nährstoffen und Feuchte versorgt. Die bekanntesten Bezeichnungen dieser Entwicklungen sind „Vertikale Gärten“ und Living walls, bzw. Greenwalls.

Vertikale Gärten, mur vegetal, living wall, greenwall Fassadenbegrünung Teil eines "Vertikalen Gartens" Begrünte Brücke in Aix en Provenze, Ausführung Patrick Blanc, 2008

Teil eines „Vertikalen Gartens“ Begrünte Brücke in Aix en Provenze, Ausführung Patrick Blanc, 2008

Wandgebundene Fassadenbegrünung, vertikaler Garten, living wall

Die begrünte Fassade der Markthalle in Avignon

Derartige Entwicklungen versprechen gegenüber der Begrünung mit Kletterpflanzen diverse Vorteile – haben allerdings ihren Preis…

 

Aristolochia (Pfiefenwinde) an Kletterhilfen aus GFK vor Wärmedämmung

Hohe schmale Fassadenbegrünung mit schlingenden Kletterpflanzen

Umgekehrt bietet die klassische Fassadenbegrünung mit Kletterpflanzen einige beachtenswerte Vorteile gegenüber den Vegetationssystemen für die Vertikale. Daher können bepflanzte Wände – egal ob sie flächig oder modular aufgebaut sind  –  nicht als universell taugliche Alternative zur klassischen Fassadenbegrünung angesehen werden. Beide Begrünungsformen ergänzen einander und müssen in Zukunft von Planern und Anwendern beherrscht werden. Eine bald erscheinende Neuauflage der oben genannten FLL-Richtlinie wird u.a. die Möglichkeiten und Eignungsaspekte aktueller Begrünungstechniken auf aktuellem Stand erläutern.

Aktuell halte ich manche (potenziellen) Vorteile der bepflanzten Wände für noch nicht ausreichend untermauert. Es ist m.E. noch nicht sicher, dass alle Erwartungen erfüllt werden. Z.B. weisen zwar  die Anbieter „wandgebundener“ Begrünungen i.d.R. eindringlich auf den Pflege- und Wartungsbedarf ihrer neuen Lösungen hin, aber dass dies in der Praxis  dauerhaft beachtet wird, darf anhand der Erfahrungen mit klassisch begrünten Fassaden bezweifelt werden. Dort hat sich immer wieder bewiesen, dass man zwecks Einsparung eher geringer Kosten für den Erhalt einer Fassadenbegrünung durchaus bereit ist, auch größere Investitionen zu opfern. Immerhin werden aktuell  seltener Bauherren mit der Vorspiegelung einer annähernd kostenlosen Verbesserung von Bauwerken durch Fassadenbegrünung geworben…

Ausblick – Fassadenbegrünung in Mitteleuropa

Ein ernsthaftes  Problem der bepflanzten Fassaden stellt derzeit noch die geringe Frostbeständigkeit sowohl der nicht im Erdreich wachsenden Pflanzen als auch ihres Versorgungssystems dar. Während die Versorgungstechnik sich per Steuerung schützen, ggf. sogar beheizen lässt, muss der Bewuchs den jeweiligen Standortbedingungen sehr gut angepasst gewählt werden.

Frostbeständigkeit, bzw. Frostschäden an wandgebundener Fassadenbegrünung

Gesamt- und Detailansicht der Fassadenbegrünung am Musée Quai Branly (Paris) nach der ersten Frostnacht (ca. -4 C) 2012

In dieser Hinsicht besteht noch Forschungsbedarf, denn auch wenn die Pflanzen nur geringfügig Schaden nehmen, erfordert die Wiederherstellung einer ansprechenden Optik mindestens einen Mehraufwand bei der Pflege. In der Praxis erweist sich der Bewuchs mancher Systeme noch als derart frostempfindlich, dass bereits bei mäßigen Nachtfrösten entweder ein Schutz durch Abdeckung praktiziert oder eine mitunter umfangreiche Nachpflanzung in Kauf genommen werden muss. Der erfolgreiche Einsatz bepflanzter Wände hängt also sehr entscheidend von den Tiefsttemperaturen, den Strömungsverhältnissen am Standort, den Ansprüchen der Pflanzen, dem Systemaufbau und der situationsgerechten Steuerung des Versorgungssystems ab. Ob die notwendige Abstimmung (Systemauswahl und ggf. Anpassung der Bepflanzung und der Ver- und Entsorgungstechnik an den Standort) im Einzelfall einfacher ist, als bei der klassischen Fassadenbegrünung mit Kletterpflanzen, wird sich erst in den kommenden Jahren und Jahrzehnten erweisen.

Bepflanzte Wand, vertikaler Garten in Berlin, Galerie Lafayette

Galerie Lafayette, begrünte Fassade, living wall im Spätsommer 2011

Das Aussehen dieses vertikalen Gartens über dem Eingang der Galereies Lafayette in Berlin-Mitte unterliegt – kaum anders als Fassadenbegrünungen mit laubabwerfenden Kletterpflanzen – einem markanten jahreszeitlichem Wechsel. Der Erhalt einer überzeugenden Optik erfordert im kontinentaleren Klima Berlins seit seiner Anlage 2008 einen relativ hohen Aufwand. Mehrfach musste in beachtenswertem Maße nachgepflanzt werden. Damit belegt das Beispiel folgendes: Im weniger maritim beeinflussten Klimazonen Europas sind für größere wandgebundene Fassadenbegrünungen Systeme vorteilhaft, die möglichst träge auf Temperaturwechsel reagieren, möglichst wenig auskühlen und/oder eine sehr frostharte Bepflanzung ermöglichen, die auch längerfristigen frostbedingten Ausfall der Bewässerung schadlos übersteht.

Im Hauptmenue unter „GRÜN BAUEN – Linksammlung“ werden wir in Zukunft detaillierter unter anderem über aktuelle Systeme zur Fassadenbegrünung informieren.

 

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